| | Fayencen aus Ansbach, Nürnberg, Bayreuth. Bestandskatalog des Museums für Franken 2023 | |
Als das Fränkische Luitpoldmuseum 1913 in Würzburg gegründet wurde, bestand das Ziel zunächst darin, die Sammlungen des Historischen Vereins für den Untermainkreis, der Stadt Würzburg und des Fränkischen Kunst- und Altertumsvereins unter einem Dach zu vereinen. August Stoehr, der 1901 zum Konservator des Altertumsvereins ernannt worden war, hegte eine besondere Vorliebe für Fayencen. Im Zuge seiner Tätigkeit grenzte er die Neuerwerbungen auf Objekte aus fränkischen Manufakturen und solche ein, die zu ihrer Zeit einen guten Absatzmarkt in Franken gefunden hatten. Die Sammlung wuchs dank Schenkungen und Ankäufen aus dem Kunsthandel rasch an. Stoehrs Leidenschaft für die Fayencen soll ihn sogar dazu bewegt haben, persönlich umliegende Dörfer zu besuchen, um wertvolle Stücke günstig aus Privathaushalten dem Museum zuzuführen. Auf diese Weise wechselte beispielsweise ein prächtiger Birnkrug mit einer idyllischen Fantasielandschaft und Päoniendekor aus der Hand des Nürnberger Hausmalers Wolfgang Rösslers um 1680 für nur 20 Mark den Besitzer.
Als Direktor des Museums von 1913 bis 1920 sorgte Stoehr für eine Lehrausstellung, bei der eine Präsentation nach Perioden angestrebt und die Besucher*innen über die Geschichte der jeweiligen Manufakturen informiert wurden. 1939 wurde das Museum kriegsbedingt geschlossen und die Objekte in Holzkisten ausgelagert. Jedoch fiel ein Großteil der Bestände den verheerenden Bränden am Ende des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Glücklicherweise hatten sich handschriftliche Inventare alter Bestände erhalten, über die Teile der Sammlungen mühsam rekonstruiert werden konnten. Dank Stoehrs starkem Interesse an den Fayencen gab es ausführlichere Unterlagen, wodurch festgestellt werden konnte, dass von den circa 1.500 Fayencen ungefähr die Hälfte verloren gegangen war. Heute ist die Sammlung wieder auf etwa 1.000 Objekte angewachsen. 1947 wurde das Mainfränkische Museum auf der Festung Marienberg eröffnet. Bereits drei Jahre später erhielten die Fayencen einen eigenen Saal, wo Stoehrs Ausstellungskonzept weitestgehend beibehalten wurde. Erst 2005 erfolgte eine Umgestaltung, bei der die Präsentation der zahlreichen Spitzenstücke im Vordergrund steht. 2017 übernahm der Freistaat Bayern die Trägerschaft des Hauses, das in „Museum für Franken – Staatliches Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Würzburg“ umbenannt wurde.
Nach 36 Dienstjahren ist Frauke van der Wall im Frühjahr in den Ruhestand getreten. Zuvor hat die promovierte Kunsthistorikerin, in deren Zuständigkeitsbereich die Keramikbestände fielen, noch den neuen Bestandskatalog zu den Fayencen vorgelegt und ihn als ihr Abschiedsgeschenk präsentiert. Auf knapp 400 Seiten führt sie mit Kollegen die Leser*innen in die Welt der fränkischen Fayencemanufakturen sowie die Sammlungsgeschichte des Hauses ein, in dem die Fayencen von Anfang an eine bedeutende Rolle spielten. Mittlerweile gehört die Kollektion trotz schwerer Kriegsverluste wieder zur zweitgrößten Sammlung in Bayern.
Die Entwicklung der Fayence
Was macht die Fayencen so besonders? Es handelt sich um gebrannte Tongefäße und -objekte, die mit einer undurchsichtig weißen oder gefärbten Zinnglasur überzogen sind, die für Wasserdichtigkeit sorgt. Daher sind solche Gefäße gut geeignet, um Lebensmittel aufzubewahren. Frühe Funde belegen, dass Fayencen bereits im 9. Jahrhundert in Mesopotamien angefertigt wurden. Allerdings sollte es noch lange dauern, bis das Wissen um die Herstellung über Umwege nach Europa gelangte, wo in der Renaissance Holländer als Erste damit begannen, Fayencen zu produzieren. Deren Absicht bestand zunächst darin, importiertes Porzellan aus China zu imitieren. Zu den Objekten gehörten unter anderem Tafelgeschirre, Tabletts, Vasen, Gefäße für Topfpflanzen, Wandbilder und dekorative Figuren als Tafelzierde. Nachdem 1661 zwei Holländer in Hanau die erste Manufaktur im deutschsprachigen Raum gegründet hatten, folgten zu Beginn des 18. Jahrhunderts weitere Fayencefabriken in Ansbach, Nürnberg und Bayreuth. Als man in Europa das Geheimnis um die Porzellanherstellung gelüftet hatte, kam die Fayenceproduktion, deren Glanzzeit im frühen und mittleren 18. Jahrhundert lag, allmählich zum Erliegen.
Hohlformen wie Krüge oder Vasen entstanden auf Tonscheiben, während Teller und Reliefs mittels Gipsformen im feuchten Ton eingeprägt, Figuren wiederum freihändig geformt wurden. Nach einer Lufttrocknung von zwei bis drei Tagen erfolgte der erste Brand, wonach die Objekte langsam abkühlen mussten. Danach schloss sich ein zweiter Brennvorgang für die Glasur und teilweise auch schon die Bemalung an. Für prächtigere Stücke gab es einen dritten Brand, der eine größere Farbigkeit ermöglichte. Dabei wurden die Fayencen in Kapseln, den sogenannten Muffeln, eingestellt, um sie vor Asche und den Brandgasen zu schützen. Da in den Manufakturen unterschiedliche Rezepte bei der Mischung der Farben verwendet wurden, gibt es typische Farbnuancen, die bei der Zuordnung nach Orten hilfreich sein können. Neben den angestellten Malern in den Manufakturen traten die Hausmaler in Erscheinung. Diese bezogen die Tonwaren nach dem ersten Brand, bemalten sie nach eigener Vorstellung und brannten sie in ihren Hauswerkstätten selbst. Solche Fayencen sind wegen ihres individuellen Charakters und ihrer Seltenheit bei Sammler*innen beliebt.
Von Ansbach
Im Jahr 1709 erteilte Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Ansbach das Privileg zum Aufbau einer Fayencemanufaktur. Unter der Leitung von Markgräfin Christiane Charlotte von 1723 bis 1729 begann die Manufaktur hochwertigere Waren mit Muffelbrand nach chinesischen Vorlagen mit markanten Grüntönen anzubieten. Seit dem 19. Jahrhundert werden diese bis 1749 gefertigten Fayencen auch als „Grüne Familie“ bezeichnet. Eine große unsignierte Deckelterrine mit Karpfenteichdekor stammt wahrscheinlich von Johann Wolfgang Meyerhöfer, der von 1724 bis 1739 in Ansbach angestellt war und von dem sich ähnlich bemalte Teller mit Signatur erhalten haben. Aufgrund der Größe der Terrine brachte Meyerhöfer das Motiv gleich mehrfach an: Links unten ist ein Teich angedeutet, in dem ein roter Karpfen schwimmt, der in China als Glückssymbol galt; ein Reiher steht am rechten Ufer, an dem Päonien und Lotospflanzen wachsen, weitere bunte Vögel und Insekten beleben die Szenerie. Von diesem Exemplar existieren weltweit nur noch zwei Terrinen.
Das Karpfenteichmuster gehörte zu den beliebtesten Dekoren der „Grünen Familie“ und wurde auf Dosen, Vasen, Teller und Platten übertragen, von denen sich glücklicherweise etliche Exemplare im Museum für Franken erhalten haben. Jedoch gaben sich die Maler nicht damit zufrieden, das importierte Porzellan zu imitieren, sondern schufen auch barocke Dekore, die ebenfalls zur „Grünen Familie“ gezählt werden. Ein Beispiel hierfür ist die kleine ovale Dose um 1730/40, die ein filigranes Bandelwerk mit Blüten, Blättern und expressiven Löwenköpfen schmückt. Das leuchtende Gelb bildet einen spannenden Kontrast zum kräftigen Rot, Grün und Blau.
Neben Objekten der „Grünen Familie“ gehören weitere nennenswerte Stücke aus Ansbach zum Würzburger Museumsbesitz wie zwei charmante Tulpenvasen aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts. Die flachen Vasenkörper erheben sich über einem rechteckigen Fuß und imitieren die Form einer Glockenblume mit fünf fächerförmig angeordneten Tüllen. Vom weißen Grund hebt sich das feine blaue Petersilienmuster mit Streublumen und Punkten besonders gut ab. Auf den Tüllen befinden sich Knotenmotive, die mit ein wenig Fantasie an Insekten erinnern. Diese spezielle Vasenform wurde in den Niederlanden im 17. Jahrhundert entwickelt, um die damals sehr teuren Tulpen einzeln pro Tülle präsentieren zu können. Ein anderes spannendes Objekt ist die 88 Zentimeter hohe Riesendeckelvase von 1720, die 2017 als Kriegsschaden in einer Munitionskiste im Museumskeller in 47 Fragmenten entdeckt wurde und nach einer aufwändigen Restaurierung nun wieder zu sehen ist. Der oktogonale Körper weitet sich über einem schmalen Fuß beträchtlich und zeigt eine chinesische Landschaft mit Felsen und Serpentinenweg, der sich bis in den Deckel fortzieht. Die blaue Malerei wird von orangefarbenen, grünen und goldenen Akzenten aufgelockert. Interessanterweise wurde die Vase verkauft, bevor die Gesichter der Chinesen in kalter Lackmalerei ausgeführt wurden.
Neben Vorlagen aus China ließen sich die Ansbacher Maler auch vom Imari-Stil inspirieren, der während des 17. und 18. Jahrhunderts in Japan populär war. Die Künstler bevorzugten ausdrucksstarke Motive und kombinierten diese mit den Farben Rostrot, Kobaltblau und Gold. Der Spiegel einer runden Platte von 1710/20 enthält eine blau-goldene fernöstliche Landschaft mit Fluss, Felsen, Bäumen und hellblauen Wattewolken. Auf der Fahne und dem Steigbord wechseln sich vier Blumenkartuschen mit weiteren Blüten ab. Überraschend modern wirkt die Bemalung eines Milchtöpfchens aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Innen und außen ist das Töpfchen mit einem unregelmäßigen hellen Wolkenmuster über dunklem Mangangrund gestaltet. Ab 1741 wurde die Ansbacher Manufaktur an Johann Georg Christoph Popp verpachtet und erlebte unter seiner Führung ihre Blüte. Ab 1769 bis zur Auflösung der Firma 1804 befand sich die Fabrik weiterhin im Besitz seiner Familie.
Über Nürnberg
1712 genehmigte der Nürnberger Stadtrat die Gründung einer Fayencemanufaktur, die von Christoph Marx und dessen Familie bis 1787 gemeinsam mit weiteren Kaufleuten betrieben wurden. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich Nürnberg zu einem wichtigen Produktionszentrum im süddeutschen Raum. Ab 1780 wurde bis zur Schließung der Manufaktur im Jahr 1840 vermehrt einfaches Geschirr produziert. Die genaue Datierung von Nürnberger Fayencen ist schwierig, da in der Manufaktur kein einheitliches System von Marken oder Signaturen angewandt wurde. Ein spannendes historisches Zeugnis stellt eine Fächerschüssel dar, die anlässlich des 200jährigen Jubiläums der Confessio Augustana 1730 von Philipp Conrad Schwab bemalt wurde. Im Spiegel stehen Kurfürst Johann von Sachsen mit erhobenem Schwert und Martin Luther mit Kerzenleuchter, zwischen ihnen ein Altar mit der aufgeschlagenen Bibel und der Confessio Augustana. Dieses Motiv geht auf Georg Friedrich Grebner zurück, der sich an einer grafischen Vorlage orientierte, und wurde auch auf weitere Schüsseln, Walzenkrüge und Teller übertragen.
Neben Stücken aus der Nürnberger Manufaktur selbst besitzt das Museum für Franken auch solche, die von freiberuflichen Hausmalern gestaltet wurden. Da manche Manufakturen sie als Konkurrenz ansahen, war es teilweise für die Hausmaler nicht einfach, die unfertigen Waren zu beziehen, weshalb manche Künstler ab der Mitte des 18. Jahrhunderts damit begannen, vertraglich für die Manufakturen zu arbeiten. Abraham Helmhack gehörte zu ihnen und setzte um 1700 die stellvertretende Brautwerbung Eliesers um die Hand Rebekkas in die Kartusche einer Enghalskanne. Blattwerk und große Blumen rahmen die polychrome Malerei. Darüber platzierte Helmhack das Wappen der Nürnberger Patrizierfamilie Imhoff mit gelben Löwen samt Fischschwanz auf rotem Wappenschild. Auch politische Ereignisse, wie die bis 1718 andauernden Türkenkriege, wurden von den Hausmalern als verkaufsträchtige Motive übernommen. Zwischen 1720/30 gestaltete der Künstler M. Schmid einen Walzenkrug mit einer wilden Kampfszene in Schwarzlotmalerei. Ein Orientale mit Turban und Säbel ist im Begriff, seinen europäischen Gegner niederzumachen, der wiederum seine Pistole schon gezückt hat. Für das Motiv griff Schmid auf ein Schabkunstblatt von Georg Philipp Rugendas d.Ä. zurück, das vor 1722 in Augsburg in Umlauf kam.
Nach Bayreuth
In Bayreuth gründete Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth 1716 eine Fayencemanufaktur, die zunächst vom Meißener Arkanisten Samuel Kempe geleitet wurde. Ab 1728 pachtete der Bayreuther Kaufmann Johann Georg Knöller die Manufaktur für zwölf Jahre und ließ die sogenannten „Braune und Gelbe Ware mit feinem Silber- und Golddekor“ herstellen. Bis zur Zwangsversteigerung 1788 gab es weitere Pächter. Die häufige Verwendung der Fabrikmarken erleichtert die Zuordnung nach Perioden, während Malermarken in Bayreuth nur selten zum Einsatz kamen. Ein Koppchen aus der Periode Knöller besticht bis heute mit seiner eleganten, leicht nach außen geschwungenen Form. Auf die braune Bleiglasur wurde in Kaltmalerei eine feine goldene Behangbordüre mit alternierenden Gitterfeldern und geschwungenen Ranken aufgetragen, auch der Standring und der obere Rand erhielten eine Vergoldung.
In derselben Periode bot man in Bayreuth neben Geschirr auch quadratische Fliesen in Blaumalerei an, wobei die unterschiedlichen Motive immer in Kreise gesetzt und von vier Insekten umgeben sind. In der Würzburger Sammlung befinden sich unter anderem diverse Vögel in Landschaften mit Bäumen und Blumen, Gebäude mit kunstvollen Türmen und sogar ein Chinese bei der Feldarbeit. Typisch für Bayreuth sind kleine Löcher in den gegenüberliegenden Ecken, die auf die Schneidetechnik der ungebrannten Fliesen rekurrieren. Doch auch für Humor und Gesellschaftskritik war Platz, wie man an der Kanne in Form eines fröhlichen Mönches erkennen kann, der in der linken Hand noch einen Weinkrug hält, während sein birettartiger Hut als Ausguss dient. Das weiße Gewand ist mit roten Blüten und blauen Zweigen bemalt. Vermutlich wurde der weinselige Mönch während der letzten Periode unter Johann Georg Pfeiffer und Erben zwischen 1761 bis 1788 gefertigt. Das lustige Objekt gibt noch spannende Rätsel auf, denn die Signatur B:P konnte bislang nicht zugeordnet werden, darüber hinaus hat sich in Bayreuth kein Formstück dieser Art erhalten.
Meißner, Jörg (Hrsg.): Fayencen aus Ansbach, Nürnberg, Bayreuth. Bestandskatalog des Museums für Franken 2023
bearbeitet von Frauke van der Wall unter Mitarbeit von Hans-Peter Trenschel und Kuno Mieskes
Verlag Benedict Press, Münsterschwarzach, 2023
384 Seiten, 278 Abbildungen, Preis 17,80 Euro |